An dieser Stelle, an der ich über die Menschen schreiben will, die das Element Feuer bezwangen und nutzbar machten, beschränke ich mich auf den kleinen Bereich, der mir ein eigener wurde.
Als "Metallbildner" und "Metallarbeiter" ist mir der Umgang mit den Metallen vertraut. Die Arbeit in der Schmiede und an der Esse, am und mit dem Feuer, verbindet den Zauber der Authentizität mit dem Bewußtsein des Zeitlosen dieser Tätigkeit.
Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dieser Materie ist meine Begeisterung für den Werkstoff Eisen.
Für mich ist diese Auseinandersetzung eine geistige Forschungsreise zu den Urkräften der Natur und zu den Menschen, die den Werkstoff Eisen bezwangen und das Element Feuer bannten.
Der Schmied oder Metallarbeiter war neben dem Töpfer der erste, der mit dem Element Feuer umgehen und es beherrschen konnte - "ein Archetypus des schaffenden Menschen. Seine Tätigkeit war stets geheimnisumwittert und rückte in die Sphäre des Übernatürlichen.
Sein Material, das Eisen, war göttlichen Ursprungs. Es hatte Teil am Numinosen seiner Handlungen. Das erste Roheisen wurde nicht aus der Erde herausgeholt. Kleine Eisenmeteoritenstücke, oftmals nicht größer als eine Erbse, die der Schmied auf seiner Wanderschaft an der Erdoberfläche zusammenklaubte, wurden kunstvoll im Feuer zusammengeschweißt und bearbeitet, um daraus nach mühevoller Arbeit eine Klinge zu schmieden, Schmuck anzufertigen oder Ackergerät herzustellen und so Gegenstände für das tägliche Überleben oder den Kult zu formen. Dieses meteoritische Eisen, von oben - vom Himmel - den Menschen gegeben, hatte verbindenden Charakter zwischen Himmel und Erde. Der Schmied war es, der Anteil am göttlichen Werk hatte. Von alters her war er ein kulturbringender Held und hauptsächlicher Verbreiter der Mythologien, Riten und metallurgischen Mysterien. Dies mußte zu allen Zeiten Eindruck auf die Menschen gemacht haben.
"Mythen sind nicht überwundene Vergangenheit, wir schaffen sie aus innerem Bedürfnis neu. Sie wirken in Sprache, Dichtung, Kunst und Wissenschaft." (Hubert Gottschalk, Lexikon der Mythologie) Stecken nicht in vielen Ritzen und Falten unserer Alltags- und Arbeitserfahrung Erinnerungen an graue Vorzeiten, Ahnungen Über höhere Zusammenhänge und tiefere Geheimnisse? Es gilt dem nachzuspüren und andere Interessierte auf diesen Weg zu führen. Nicht ein neuer Mythos soll herbeigezaubert werden, vielmehr soll überliefertes neu verbunden und erfahrbar gemacht werden.
In unserer, von nur schwer zu durchschauender Technik beherrschten modernen Industriekultur, scheint es lohnend, einen Blick auf die alten Bilder und Vorstellungen zu werfen, die der Metallverarbeitung zu Grunde liegen.
Der Schmied war einer der ersten Spezialisten. Häufig hochgeachtet, bisweilen auch geächtet und gefürchtet, war er, rußgeschwärzt und schmutzig, doch immer unentbehrlich, so unentbehrlich wie seine Arbeit, die stets zwei Seiten aufwies: "Die des Brotes und die des Krieges" (Fritz Kühn). Ob Pflug oder Schwert, der Schmied bot die Mittel zur Lebenserhaltung und Kulturverfeinerung. Seine Tätigkeit war rätselhaft, die Techniken mysteriös. So war es naheliegend, ihm übersinnliche Fähigkeiten zuzuschreiben. Naheliegend auch Für mich, nach Spuren und Zeugnissen urtümlicher Schmiedekunst zu suchen. Welche soziale und religiöse Stellung hatte der Schmied im Laufe der Geschichte? Welches Brauchtum, welcher Kult entwickelte sich um die Person des Schmiedes? Der Metallarbeiter, ein Beherrscher der Elemente, ist Träger eines übergeordneten Prinzips von Läuterung und Umwandlung. Kundig in der Legierung der Metalle, verbindet er traditionelle Formen und Inhalte.
Oft war er herausragende Integrationsfigur, wie z. B. bei den Matakam (ein afrikanischer Stamm in Kamerun). Er war Zauberer, Wahrsager oder Zeremonienmeister, aber auch Gefangener eines Fürsten, mit durchgeschnittenen Sehnen, wie Wieland der Schmied, verkrüppelt, voller Haß, der seine Kunst dazu gebrauchte, sich zu rächen und anschließend zu fliehen. Die Verwandtschaft von Schmieden, Schamanen, Alchemisten und Zauberern läßt sich in der Geschichte von der Frühzeit bis in die heutige Zeit nachweisen.
Im germanischen Norden sind es die Riesen, deren Waffen Eisenstangen sind und in deren Welt der Eisenwald liegt. Zwerge sind die Behüter und Bearbeiter der unterirdischen Metallschätze. Von ihnen haben die Menschen erst die Schmiedekunst gelernt. Regin, Mime, Wieland sind kunstreiche Schmiede, aber auch listenreiche, tückische Zauberer. An ihre Stelle trat später der Teufel, der Schwarze Meister in der rußigen Hölle. In zahlreichen Sagen und Märchen leben diese alten Vorstellungen noch heute. Der Schmied als Beherrscher der Elemente und Träger von Macht und Kultur übt eine eigene Faszination aus. Sie wird an Esse und Amboß immer wieder erlebbar.
Das Schmieden, ob nun in Eisen oder Edelmetallen, ist eine ganz urtümliche Tätigkeit, die Über Jahrtausende tradiert und in ihren wesentlichen Elementen unverändert erhalten ist. Neben diesem inhaltlichen, kulturhistorischen Aspekt steht Für mich - in Wechselbeziehung zu ersterem - die sinnliche Erfahrung dieser Arbeitsform.
Der Umgang mit dem harten, spröden Material, welches unter den Händen des Schmiedes durch das Feuer gegangen ist und Gestalt annimmt, hat nichts von seiner Faszination verloren. Außerdem besaß der Schmied offensichtlich die göttliche Gabe, die eigentliche Natur der Substanz zu verändern. Er konnte Erzgestein in kunstvolle Gefäße oder klingende Geräte verwandeln, sein Material ganz nach Belieben flüssig oder fest, starr oder geschmeidig machen.
Der Titel - aus Erde wird durch Feuer Musik - bezieht sich auf die Umwandlung und Durchformung des Elements Eisen durch Feuer und mechanische Bearbeitung, auf die Transformierung des aus der Erde geholten Materials in einen Zustand höchster Spannung, die vibrierenden Klang erzeugt. Der Klang von Glocken, das Geklirr von Waffen, das Schwirren einer Stahlseite oder das Dröhnen eines Gongs - das sind die sinnlichen Erlebnisse, die den Kundigen immer wieder auf die Transzendenz des Materials verweisen. Wer einmal afrikanischen Schmieden bei der Arbeit zusehen konnte, wird die Verbindung von Schmieden und Musik vielleicht naheliegend finden, den Prozeß des Schmiedens selbst als Musik erleben: der Rhythmus des Blasebalgs, das Zusammenspiel mehrerer Hämmer, die in genau festgelegter Reihenfolge auf den Amboß treffen, mit ihm gewissermaßen sprechen. Und es verwundert nicht, daß es z. B. im arabischen Sprachraum Analogien zwischen den Begriffen Schmiedens und Musik" gibt. Der Rhythmus des Schmiedens mit dem Hammer wird Musik. Die Zeitspanne eines verlöschenden Eisens wird zum Metrum, das die Arbeit bestimmt. Geschwindigkeit und Konzentration vermischt sich am Feuer zu einem unmittelbaren Erleben elementarer, existentieller Kräfte. Der Lufthammer, der das Individuum ersetzende mechanische Schmied, als "Geselle" im 20. Jahrhundert, macht durch seine Kraft den ehemaligen Gruppenprozeß zu einem individuellen Abenteuer. Wer sich auch heute die verschiedenen Einsatzbereiche des Eisens vor Augen hält, weiß, daß die Computer unsere Zeit nur zum Teil mitbestimmen.
Eisen und Stahl durchdringt unser ganzes Leben. Es scheint, daß das Eisenzeitalter seinem Höhepunkt zustrebt. Hinzuzufügen bleibt, daß es den Beruf des Schmiedes seit der Neuordnung der Berufsbilder nicht mehr gibt. Gemeinsam mit dem Schlosser wird er nun Metallbauer" genannt.
Alle Menschen müssen sterben,
nur die schwarzen Schmiede nicht,
denn sie sind aus Stahl und Eisen
und der Teufel mag sie nicht".