Mahnmal geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide von Irène Mélix auf dem Willy-Brand-Platz in Osnabrück.
Wir durften die Skulpturen planen und fertigen.
12 mm Corten Stahl gelasert und geschweißt.
Die Hand-Skulpturen sind bereits chemisch vorgerostet.
Ebenenabstand 8 cm.
Höhe 203 cm, 170 cm, 150 cm
Textstele Höhe 113 cm
Künstlerin:
Irène Mélix
(Auszug aus der Eröffnungsrede, gehalten von Irene Melix zur Eröffnung am 24.01.2024)
Jeden dritten Tag geschieht in Deutschland ein Feminizid, weltweit alle 11 Minuten. 2021 waren es in Deutschland 113 Personen, in der Statistik Frauen, die von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurden. Und 143.000 Frauen listet die Kriminalstatistik im gleichen Jahr, die Partnerschaftsgewalt erlebt haben. (bpb) Dabei berückschtigt die Statistik trans Frauen nicht und wir haben keine verlässlichen Zahlen zu Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans, Inter und Queeren Menschen.
Das ni, den kleinen Unterschied zwischen Femizid und Feminizid, brachte die mexikanische Feministin Marcela Lagarde in die Debatte ein und betonte damit die strukturelle Dimension und die staatliche Verantwortung. Feminizide sind meist der Höhepunkt einer längeren Gewaltgeschichte geschlechtsspezifischer Gewalt. Dahinter steht eine cis-männliche Dominanzgeste. Die Vorstellung, über andere Körper verfügen zu können und nicht zuletzt die gewaltvolle Aufrechterhaltung des patriarchalen Status quo.
Geschlechtsspezifische Gewalt heißt, dass Menschen Gewalt erfahren -belästigt, verfolgt, getötet werden – aufgrund ihres Geschlechts. Das passiert aufgrund ungleicher Machtverhältnisse, die sich aus unserer Gesellschaftsordnung ergeben.
Diese Gewalt ist strukturell ist und ein gesellschaftliches Problem. Die Geschichte des Kampfes gegen diese Gewalt ist lang. Wir verdanken historischen feministischen Bewegungen viel. Bis heute setzten sich Frauenhäuser, feministisch Aktive, Vereine und politische Gruppen gegen diese Gewalt zur Wehr, am 8. März, dem zentralen feministischen Kampftag. Am 25. November, dem Tag gegen patriarchale Gewalt, und jeden einzelnen Tag im Jahr. Ni una menos ist dabei der weltweit bekannt gewordene Slogan lateinamerikanischer Feminist:innen, keine mehr die deutschsprachige Variante. Keine mehr soll Gewalt erleben, keine mehr ermordet werden.
Die Canadian Women’s Foundation machte im Zuge der Pandemie 2020 das Signal for Help bekannt, dass Sie hier vor sich sehen. Das Women’s Funding Network übernahm es und verbreitete es weltweit. Seitdem hat es sich als wirksam erwiesen, wenn Menschen in Notlagen und Gewaltsituationen auf sich aufmerksam machen müssen. Je mehr es verbreitet wird, desto hilfreicher wird es sein. Gleichzeitig ist die ausgestreckte Hand aber auch ein Signal für „Stop“ und die Faust ein Zeichen des Widerstandes. Aus all diesen Gründen habe ich mich für dieses Konzept entschieden. Mir schien es am allerwichtigsten, dass das Mahnmal gegen Femizide und geschlechtsspezifische Gewalt nicht einfach ein dekoratives, abstraktes Element im Stadtraum wird, das von allen übersehen werden kann.
Mahnen klingt vielleicht zunächst nach einem erhobenen Zeigefinger. Genau genommen bedeutet es zum einen: „nachdrücklich zu einem bestimmten, geboten erscheinenden Verhalten oder Tun auffordern“. Und zum anderen „nachdrücklich an etwas, besonders eine eingegangene Verpflichtung u. Ä., erinnern“ (Oxford Dictionary). Grammatikalisch gesehen handelt es sich um ein schwaches Verb, in meinen Augen aber sind nachdrückliche Aufforderungen und Erinnern starke Instrumente im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Ich verstehe dieses Mahnmal als eine Facette im Ringen um ein feministischeres Osnabrück und im Kampf für eine sicherere Zukunft für alle. Ich will an dieser Stelle all jenen Respekt zollen, die besonders hier in dieser Stadt seit Jahren dafür kämpfen. Ich verstehe dieses Mahnmal als ein Zeichen der Anerkennung für diese Arbeit. Ich verstehe es als einen Aufruf an alle, die sich bisher nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Und ich wünsche mir für das Mahnmal, dass es diese Stadt im positivsten und feministischsten Sinne mit prägt.
Danke ganz besonders an Diplom Designer Peter Schmitz, seine Kollegen Steven Sood und Thomas Kerl. Danke an die Direktion der Kunsthalle Osnabrück für die Empfehlung. Danke an die Bartniks. Danke an die Stadt Osnabrück, vor allem aber an Patricia Heller und die Mitarbeiter:innen des Gleichstellungsbüros sowie die Jury.
Kunst wie ich sie verstehe, ist nichts, was Menschen alleine machen. Wenn sie wirksam sein soll, entsteht sie in gesellschaftlichen Zusammenhängen, leistet sie auf ihre Weise Beiträge zum Denken und zum Handeln. Ich hoffe, dass wir in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt alle gemeinsam mehr zum Handeln kommen. Ni una menos! Keine mehr!